Eigentlich ist die Typgenehmigung ein Beleg für die Vorschriftsmäßigkeit eines neuen Fahrzeugmodells. Ein so zertifiziertes Auto erfüllt die gesetzlichen Sicherheits- und Umweltstandards. Das zumindest glaubten EU-Bürger bis zum Abgasskandal. Seitdem fragt sich das Wahlvolk, welchen Wert eine solche Bescheinigung hat, wenn das eigene Fahrzeug Abgas-Grenzwerte um das zigfache überschreitet.
Das Europäische Parlament, der Rat – also die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten – und die Kommission haben nach eigenem Bekunden auf diesen Vertrauensverlust reagiert. Neue Maßnahmen sollen künftig für eine bessere Qualität und stärkere Unabhängigkeit bei der Typgenehmigung und Prüfung von Fahrzeugen sorgen. Durch eine europäische Aufsicht werde das Gesamtsystem gestärkt, hieß es in einer Kommissionsmitteilung vom Dezember.
„In Zukunft wird die Kommission in der Lage sein, Kontrollen an Fahrzeugen durchzuführen, EU-weite Rückrufe zu starten und bei Verstößen gegen die Rechtsvorschriften Bußgelder bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug zu verhängen“, kündigte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska an. Sowohl die für die Typgenehmigung zuständigen nationalen Behörden als auch die technischen Dienste wie TÜV oder Dekra, welche im Auftrag die Vorschriftsmäßigkeit neuer Fahrzeugmodelle bestätigen und kontrollieren, würden von der Kommission überprüft.
Keine Änderung des Vergütungssystems
Allerdings bleibt es bei der direkten Bezahlung der technischen Dienste durch die Hersteller. Die Kommission wollte das Vergütungssystem ändern. Damit wollte man ausschließen, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten das Auge der Prüfer trüben. Immerhin können die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten die Benennung eines nationalen Dienstes bei Unregelmäßigkeiten anfechten.
Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach der Typgenehmigung, die ja mit von der Fertigungsstraße entnommenen Prototypen stattfindet, regelmäßig Fahrzeuge stichprobenartig prüfen, die bereits auf dem Markt der betreffenden Länder sind. Die Ergebnisse der Prüfungen werden öffentlich zugänglich sein. In ihrem Hoheitsgebiet dürfen die Staaten sofort Maßnahmen gegen nichtkonforme Fahrzeuge ergreifen. Sie müssen nicht wie zurzeit noch abwarten, bis die Behörde tätig wird, welche die Typgenehmigung erteilt hat.
Besserer Datenzugang
Laut EU-Kommission und dem Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) müssen die Hersteller künftig deutlich freigiebiger mit ihren Daten umgehen. Nach dem Verordnungsentwurf sind die Softwareprotokolle von Autos zugänglich zu machen. Vorgesehen ist auch die Vorschrift für Hersteller, ihre Emissionsminderungsstrategie offenzulegen, wie dies in den USA geschieht.
Der GVA als Vertreter der unabhängigen Marktteilnehmer (also freie Teilehändler, die wiederum u.a. Werkstätten ohne Herstellervertrag beliefern) verwies vor einigen Tagen zufrieden auf die Klarstellungen zum Thema Ersatzteile. Eigentlich sollte es unabhängigen Marktteilnehmern schon heute möglich sein, effizient und eindeutig festzustellen, welchen Fahrzeugen welche Ersatzteile zugeordnet sind.
Geduld erforderlich
Bislang verweigern die Fahrzeughersteller aber den Zugang zu diesen Daten in maschinenlesbarer Form zur elektronischen Verarbeitung. „Die neuen klarstellenden Bestimmungen sind absolut wasserdicht und lassen den Fahrzeugherstellern keinen Interpretationsspielraum“, verkündete nun GVA-Präsident Hartmut Röhl.
Bis die neuen Regeln zur Anwendung kommen ist laut Röhl allerdings noch etwas Geduld erforderlich. Zwar spricht die Kommission in ihrer Mitteilung davon, dass die Ergänzungen mit Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten. Doch der Verbandsfunktionär schätzt, dass sie voraussichtlich erst ab September 2020 zur Anwendung kommen werden und dann die bisherige Rechtslage weiter konkretisieren.
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