Halbe Wahrheit

Statt in einer offenen Fehlerkultur übt sich die Autoindustrie nach wie vor gerne in der Kunst des Fehlerversteckens. Dies zeigt sich immer wieder in der Kommunikation von Rückrufen.

optimismus optimistisch pessimismus pessimistisch Glas Maßband
Pild: Pixabay / novelrobinson, CC0 Creative Commons

Motivationstrainer teilen die Menschheit ja gerne ein in Personen, die das Glas halb voll oder halb leer sehen. Doch das ist – Vorsicht Wortspiel – nur die halbe Wahrheit. Die Tatsache, dass das Glas nicht voll ist, wird bei dieser Sichtweise als grundsätzlicher Mangel gewertet. Dabei muss es auch um den Umgang mit der oberen Hälfte des Glases gehen. Da sind wir schnell bei der Fehlerkultur und „meinem“ Thema: den Fahrzeugrückrufen.

Erstrebenswert wäre das volle Glas, also das fehlerfreie Auto. Doch das ist so realistisch wie ein Schneesturm in der aktuellen Wettervorhersage. Trotzdem preist uns die Autoindustrie ständig den üppig gefüllten Krug an. In einer solchen Welt muss der Makel versteckt werden. BMW lieferte diese Woche ein schönes Negativbeispiel. Erst sollte ein Rückruf wegen Feuergefahr auf Korea beschränkt bleiben, dann entschied man sich in München doch noch um.

Warum? Weil inzwischen auch der Verbraucherschutz globalisiert ist, wie ich an dieser Stelle bereits festgestellt habe. Wenn der Amtskollege von Angela Merkel öffentlich auf BMW schimpft, ist dies kein regionales Ereignis mehr, sondern für jedermann im Internet abrufbar. In Asien verlangt man vom erwischten Sünder dann sogar noch eine Demutsgeste. Das beweist, dass eine Strategie des Aussitzens (erste Reaktion auf gehäufte Brandfälle) bzw. der regionalen Brandbekämpfung (Rückruf nur in Korea) nicht mehr funktioniert.

Immerhin hat sich BMW lernfähig gezeigt und den Rückruf schnell erweitert. Souveräner wäre es gewesen, die Aktion von Anfang an global zu inszenieren – auch nach außen (intern geschieht dies selbstverständlich). Doch gerade in den für die Außendarstellung zuständigen Abteilungen der Hersteller müssen viele noch lernen, das Positive im Negativen zu erkennen und nach außen zu tragen. Der schlichte Blick auf die Füllmenge eines Glases reicht zur Identifikation von kommunikativen „High Performern“ jedenfalls nicht mehr aus.

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