Der Kfz-Servicemarkt teilt sich auf in Vertragsbetriebe (Vertreter einer oder mehrerer Marken in einer bestimmten Region) und freie Werkstätten. Letztere haben immer wieder Probleme, an passende Informationen zu den Kundenfahrzeugen auf der Hebebühne zu kommen. Seien es konkrete Reparaturanleitungen, Details zu Ausstattungsvarianten oder benötigtes Spezialwerkzeug: Vertragsbetriebe genießen hier einen Informationsvorsprung. Das ist von den Fahrzeugherstellern so gewollt, denn so steigt die Wahrscheinlichkeit, Kunden auch nach dem Fahrzeugverkauf in den Partnerbetrieben zu halten und vom lukrativen Servicegeschäft zu profitieren.
Die Wettbewerbshüter der Europäischen Union sind um Wahrung von Chancengleichheit bemüht. Sie haben in der Euro 5-/6-Verordnung (EG 715/2007) nicht nur Abgasgrenzwerte festgelegt, sondern auch den freien Zugang zu den technischen Informationen der Fahrzeughersteller zur Bedingung für die Typzulassung gemacht. Über die genaue Ausgestaltung dieses Zugangs gibt es aber immer wieder Streit. Nun hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entschieden, dass ein reiner Lesezugriff auf die jeweilige Hersteller-Datenbank bereits den Anforderungen der Verordnung genügt.
Die Vorschrift verlangt laut zweier Urteile vom Februar 2017 nicht, „mittels einer Datenbankschnittstelle auch den Zugriff auf die Rohdaten und ihre Verknüpfung mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (VIN) zu ermöglichen, um diese in Gänze auslesen und automatisiert weiterverarbeiten zu können“ (OLG-Az.: 6 U 31/16 und 6 U 37/16). Einen solchen Zugang wollte der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) vom koreanischen Hersteller Kia bzw. von der deutschen Tochtergesellschaft vor Gericht erstreiten. Nach Meinung des Verbands kann nur so gewährleistet werden, dass unabhängige Teilehersteller und Werkstätten Zugriff auf das Sonderwissen des Fahrzeugherstellers haben. Nur das Wissen, welche Teile genau in einem bestimmten Fahrzeug verbaut sind, sichert laut GVA die Reparatur mit dem korrekten Teil.
GVA geht in Revision
Die Vorinstanz schloss sich zumindest bei der Klage gegen den koreanischen Mutterkonzern noch der Meinung des GVA an und forderte den Rohdaten-Zugang von Kia ein. Die OLG-Richter hingegen entschieden nun anders. Es sei nicht Sache des klagenden Verbands, die technischen Einzelheiten des begehrten Datenzugangs zu bestimmen. „Die Beklagte gewährt unabhängigen Marktteilnehmern Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen auf leicht und unverzüglich zugängliche Weise“, so wie es in Art. 6 der Verordnung 715/2007 festgelegt sei. Eine bestimmte Form der Datenverfügbarkeit sei in der Verordnung nicht definiert, heißt es in der Urteilsbegründung. „Die Unschärfe der Regelung kann in der Praxis nicht durch eine erweiternde Auslegung kompensiert werden“, so das Urteil, gegen das Revision eingelegt werden kann.
Dies hat der GVA auch getan, wie Verbandssprecher Alexander Vorbau auf Anfrage mitteilte. Die Revisionsmöglichkeit wurde aber nur in dem Fall zugelassen, bei dem der koreanische Mutterkonzern Beklagter war. Bei der Verhandlung gegen Kia Motors Deutschland sieht das OLG keinen weiteren Klärungsbedarf, weil der Importeur nicht Inhaber der Typzulassung ist. Trotzdem hat der GVA auch gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegt, in Form einer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Düsseldorfer Kanzlei Schindler, die Kia Deutschland in dem Prozess vertreten hatte, geht davon aus, dass der Bundesgerichtshof (BGH) als nächste Instanz den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen wird. Eine finale Entscheidung dürfte also frühestens Ende 2018 fallen.
Nachtrag 20.9.2019:
Das EuGH hat bei den vom BGH vorgelegten Fragen im Sinne des Herstellers entschieden.
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