Immerhin: Gefahr erkannt, möchte man angesichts der diese Woche vorgestellten „Nationalen Industriestrategie“ sagen. Aber Gefahr gebannt? „Sollte bei dem Automobil der Zukunft die digitale Plattform für autonomes Fahren mit Künstlicher Intelligenz aus den USA und die Batterie aus Asien kommen, hätten Deutschland und Europa mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung in diesem Bereich verloren. Die damit verbundenen Auswirkungen gingen weit über den Bereich der Automobilwirtschaft hinaus“, diagnostiziert Wirtschaftsminister Altmaier. Für diese Einsicht hat er ziemlich lang gebraucht. Aber besser spät als nie.
Für seinen Kabinettskollegen von der kleinen Schwesterpartei sind solche Erkenntnisse immer noch zu hoch. Verkehrsminister Scheuer sagte dem Diesel fast zeitgleich zu Altmaiers Pressekonferenz mal wieder eine glänzende Zukunft voraus. Wenn er das Strategiepaper überhaupt gelesen hat, dann vermutlich den Abschnitt, in dem der hohe Marktanteil deutscher Autobauer im Oberklasse-Segment gefeiert wird. Doch es ist wie im Sport: Die Lorbeeren der Vergangenheit zählen nichts mehr!
Das scheint auch der Wirtschaftsminister nicht begriffen zu haben. Der glaubt, allein Größe sei in Zukunft ein Erfolgsgarant, weil doch alle wichtigen Entwicklungen derzeit von den kapitalstärksten Unternehmen vorangetrieben werden. Diese Beobachtung lässt die hohe Bedeutung der Wagniskapitalgeber in der Innovationsindustrie außer Acht. Doch selbst wenn sie zuträfe: Die „Big Five“ (Amazon, Apple, Facebook, Google, Microsoft) waren vor nicht allzu langer Zeit nicht besonders groß. Diese Größe haben sie erst durch die konsequente Attacke etablierter Industrien (bisher Einzelhandel und Medien) erreicht.
Wenn Altmaier daraus folgert, der Staat müsse fehlende Größe durch eigene Unternehmensbeteiligung ausgleichen, dann muss man angesichts der Hörigkeit insbesondere der GroKo-Politiker auf ewiggestrige Industriegrößen das Schlimmste befürchten. Die Hoffnungsträger der deutschen Volkswirtschaft sitzen nämlich nicht in den Großkonzernen, sondern mit drei oder vier Gleichgesinnten in einem Hinterhof – falls der über einen vernünftigen Breitbandanschluss verfügt.
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