Unter dem Hashtag „#NieMehrCDU“ haben viele vornehmlich junge Menschen diese Woche ihr künftiges Wahlverhalten kundgetan. Eigentlich kein Wunder bei einer Partei, in der selbst der Chef der Jugendorganisation aussieht und spricht wie sein eigener Großvater. Erstaunlich ist aber schon, was die Leute auf die Straßen treibt. Grund für den Protest ist die schockierende Aussicht, dass der jeweilige Lieblings-Influencer in den sozialen Medien womöglich durch Uploadfilter in seinem publizistischen Tun eingeschränkt wird. Mein Blut gerät eher in Wallung, wenn die Unionsminister zum x-ten Male die Verkehrswende versemmeln.
Das heißt aber nicht, dass ich die nun verabschiedete Urheberrechtsreform gutheiße, wie ich im Februar auch schon anhand eines konkreten Beispiels deutlich gemacht habe. Insbesondere die Art und Weise, wie die Großkopferten-Einheit aus Politik und Industrie (diesmal: Verlagswesen) einmal mehr mit der außerparlamentarischen Opposition umgingen, bereitet mir Verdruss. Wenn man Jugendliche wie schon bei den „Fridays for Future„-Demos als manipulierte Masse ohne eigenes Denkvermögen abkanzelt, sollte man später nicht über Politikverdrossenheit oder Protestwähler an den Rändern klagen.
Leider kommt die Debattenkultur immer mehr abhanden. Selbst die lautesten Gegner des Artikel 13 werden nicht leugnen können, dass die sozialen Medien daran einen großen Anteil haben. Und da sind wir bei der entscheidenden Fehlentwicklung im Internet, derer sich die Verantwortlichen eigentlich annehmen müssten. Während sich publizistisch tätige Personen vom Großverlag bis zum kleinen Blogger an die Vorgaben des Presserechts halten müssen, scheinen andere Ecken des World Wide Webs weiterhin ein rechtsfreier Raum zu sein.
Anonymität einschränken
Aus meiner Sicht müsste die Anonymität dort massiv eingeschränkt werden. Algorithmen sollten dafür sorgen, dass nur noch Personen, die mit ihrem (guten) Namen und notfalls auch ihrem Geldbeutel für ihre Behauptungen einstehen, ein größeres Publikum erreichen können. Das eigentliche Problem ist nämlich nicht, dass Werbeerlöse nun von Facebook und Co. statt von den Verlagen erzielt werden. Es ist die dahinter stehende Aufmerksamkeitsökonomie. Je abstruser, beleidigender oder gar blutiger (s. Christchurch) ein Post, desto besser.
So schlimm war es selbst in den goldenen Zeiten des Boulevardjournalismus nicht. Denn die Revolverblätter haben immerhin ab und zu mal ihre Grenzen von Gerichten aufgezeigt bekommen. Bei den Troll-Armeen und ihren Bots wartet man darauf vergeblich. Deren Eingrenzung wäre die eigentliche Aufgabe der Stunde. Denn es gibt schon genug Trumps, Orbans und Erdogans auf dieser Welt.
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