Standen Sie schon mal in einem Stau, in dem auch Krankenwagen oder Feuerwehrfahrzeuge trotz Blaulicht nicht vorwärts kamen? Hier in München sehe ich das fast täglich. Wurde dieser Stau durch auf der Straße klebende Klimaaktivisten verursacht? Fast immer lautet die Antwort nein. Denn auch wenn uns die Berichterstattung über die „Letzte Generation“ zuletzt etwas anderes suggerierte: Die meisten Verkehrsbehinderungen entstammen ganz einfach dem handelsüblichen Autoverkehr.
Wer trägt daran die Schuld? Reflexhaft kommt die Antwort: der Staat. Doch wer so denkt, der folgt bereits der Gedankenlogik der Klimakleber. Auch die werfen ja „der Politik“ Tatenlosigkeit vor und leiten daraus die Rechtfertigung für ihr illegales Tun ab. Ich tue es ungern, aber ich muss Finanzminister Lindner recht geben. Es ist nicht das Verkehrs- oder andere Ministerien, die an Klimavorgaben scheitern, es sind wir. Allerdings ist meine Schlussfolgerung eine andere als die des FDP-Chefs. Der will allenfalls die Demonstranten hart rannehmen, nicht aber die Stammwähler.
So lange es weiterhin Kandidaten gibt, die dem Wahlvolk möglichst wenig Änderungen des eigenen Lebensalltags abverlangen (s. aktueller Heizungsstreit), wird es auch wenig Fortschritte in Sachen Klimaschutz geben. Wandel im Abstimmungsverhalten im Sinne des Klimaschutzes erreicht man aber sicher nicht, indem man einen zusätzlichen Verkehrsstau verursacht oder Kunstwerke verunstaltet. Statt die Mehrheit der Bevölkerung zu verärgern, muss man sie hinter sich bringen. So funktioniert die politische Willensbildung bei uns. Das ist gut so und soll so bleiben!
Die „Letzte Generation“ sollte sich also kritisch hinterfragen, statt trotzig wie ein Kleinkind auf Bemerkungen wie jüngst von Kanzler Scholz zu reagieren. Sonst ist der intellektuelle Unterschied zu mehr oder weniger offen antidemokratisch agierenden Verschwörungstheoretikern nur noch marginal. Das ist fatal, denn der Klimawandel ist eben kein Hirngespinst, sondern real. Auch wenn der Handlungsdruck groß ist, sollten Begriffe wie „Klima-RAF“ das bleiben, was sie sind: maßlose Übertreibungen.
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