Die Prüfer messen derzeit bei der Abgasuntersuchung bei einem Großteil der Fahrzeuge (Erstzulassung spätestens nach dem 1.1.2006) nicht das, was hinten rauskommt. Das gilt zumindest dann, wenn der Fehlerspeicher im Fahrzeug keine Hinweise darauf liefert, dass mit der Abgasreinigung etwas nicht in Ordnung ist. Selbst Dieselmodelle mit defektem oder gar keinem Rußfilter bleiben unauffällig, weil die On-Board-Diagnose (OBD) keine Störungen anzeigt. Schon vor dem Abgasskandal war dies Anlass für Diskussionen, wie dieser fast zehn Jahre alte Beitrag zeigt.
Doch die Positionen waren bislang verhärtet: Während vornehmlich grüne Politiker mit Unterstützung der Umweltverbände, der Werkstattausrüster und des Kfz-Gewerbes für die Wiedereinführung der 2008 abgeschafften generellen Endrohrmessung plädierten, bildeten Vertreter der Union eine Union mit den Verkehrsclubs dagegen. Sie befürchteten durch den erhöhten Prüfungsaufwand steigende Kosten für Autofahrer. Durch Dieselgate ist allerdings eine neue Dynamik in das Thema gekommen. Denn die jahrelange Beteuerung der Autohersteller, die OBD eines Fahrzeuges könne zuverlässig Fehler im Abgasverhalten anzeigen, hat an Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Noch im Mai 2016 lehnte die Bundesregierung die Einführung einer strengeren AU ab, wie aus einer Kleinen Anfrage der Grünen hervorgeht. Doch schon ein halbes Jahr später besann sich das in dieser Angelegenheit federführende Verkehrsministerium eines Besseren. Verkehrsminister Dobrindt ließ sich von der Notwendigkeit einer generellen Messung der Abgase am Auspuff überzeugen. Es dauerte aber noch bis zur letzten Sitzung vor der Bundestagswahl bis der Bundesrat tatsächlich die Wiedereinführung zum 1. Januar 2018 beschloss. Die Vertretung der Autohäuser und Werkstätten jubilierte: Die Entscheidung „dient dem aktiven Umweltschutz und gibt insbesondere den Autofahrern ein Stück mehr Sicherheit“, kommentierte der Branchenverband ZDK am 22. September die Entscheidung. Entscheidend sei, was hinten rauskomme. Das habe der Abgas-Skandal gezeigt.
Doch das aktuelle Hauptproblem der deutschen Großstädte wird die strengere Untersuchung nicht lindern. Denn bei der Abgasuntersuchung von Selbstzündern werden die Stickoxidemissionen gar nicht erfasst, sondern nur die Partikelkonzentration (Trübungswert). Das räumte auch der Befürworter der Wiedereinführung, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, in seiner Rede vor der Länderkammer ein.
So muss die Entscheidung für die generelle Endrohrmessung eher als symbolisch bewertet werden. Die Bundesanstalt für Straßenwesen hatte bereits 2015 in einer Studie deutlich gemacht, dass mit der Wiedereinführung die Zahl der Abgassünder auf den Straßen nur wenig abnehmen wird. Bei etwa 2.000 Fahrzeugen – etwa zur Hälfte Benziner und Dieselmodelle – war trotz bestandenem OBD-Test zusätzlich eine Messung am Auspuff durchgeführt worden. Bei den Benzinern bestanden knapp 95 Prozent auch diese, bei den Selbstzündern knapp 92. Aufgabe der (europäischen) Politik wird es also sein, nicht nur die Durchführung der Abgasuntersuchung zu verschärfen, sondern auch die Anforderungen an die Fahrzeuge.
Dann wären im Übrigen auch so genannte Dopingtests, die Noch-Verkehrsminister Dobrindt nach Dieselgate angekündigt hat, überflüssig. Denn ob und wie dieser zusätzliche bürokratische Aufwand durch das überforderte Kraftfahrt-Bundesamt bewältigt werden kann, steht in den Sternen. Die bewährte Hauptuntersuchung um anspruchsvollere Abgastests zu erweitern, erscheint da erfolgversprechender. Autofahrern sollte dieser Zusatzaufwand ein paar Euro mehr wert sein, um wirklich reinere Luft vor allem in Ballungszentren zu bekommen.
Alle bisherigen Beiträge zu Dieselgate finden Sie im Bereich Spezialthemen.
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