Fesselnde olle Kamellen

Große Rückrufe erfordern Vorbereitungszeit. Doch die ritualisierte Empörung im Internet könnte künftig die Bereitschaft der Hersteller minimieren, ihre Kunden möglichst frühzeitig über die Sicherheitsgefahr zu informieren.

Nutzer mobiles Internet, mit Kabeln gefesselt
Bild: Unsplash / Artyom Kim

Im Urlaub versuche ich ja eigentlich, die Themen dieses Blogs zu umschiffen. Doch während meiner Jahresanfangsauszeit begegnete mir eine Schlagzeile, die einen großen Rückruf eines deutschen Herstellers verkündete. Da konnte ich nicht aus meiner Haut und musste auch in den Ferien klicken – um es sofort wieder zu bereuen.

Denn der „neue“ Mercedes-Rückruf war längst bekannt. Meine Meldung zur Aktion datiert vom 19. November! Eine prominente Redaktion legte am 4. Januar vor, und viele andere, inklusive der renommierten „Tagesschau„, zogen blind nach. Über diese Form des Clickbaitings und die Konsequenzen auf den Journalismus habe ich mich ja schon mal ausgelassen.

Neu an der Mercedes-Meldung war allenfalls die Tatsache, dass sich die Abhilfemaßnahme verzögert. Doch auch das konnte mich angesichts einer zurückzurufenden Fahrzeugmenge von fast einer Mio. Autos nicht überzeugen. Klar, Hersteller-Empfehlungen in Rückruf-Anschreiben zur Beschränkung der Fahrzeugnutzung „auf das erforderliche Minimum“ dürften für die Kundenbeziehung wenig hilfreich sein, insbesondere wenn sie kurz vor den Weihnachtsferien erfolgen. Haftungsrechtlich würden sie meines Erachtens im Fall der Fälle ohnehin eher wenig bewirken.

Bei solch großen Rückrufen muss den Herstellern und vor allem ihren Zulieferern angesichts des logistischen Aufwands aber eine gewisse Vorbereitungszeit zugestanden werden.  Durch einen medialen Auftrieb bzw. Shitstorm in Online-Foren wie im Fall Mercedes könnte die Bereitschaft der Hersteller sinken, Kunden möglichst frühzeitig über mögliche Sicherheitsgefahren an ihren Fahrzeugen zu informieren. Das wäre für alle Beteiligten sicherlich kontraproduktiv.

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